Sonntagsgedanken 5. April 2020: Auf die Palme
In der Corona-Zeit gibt es viele Dinge, die uns gerade auf die Palme bringen: Die Ungewissheit wie alles weiter geht zum Beispiel. Oder etwas genauer: Wann gibt es endlich wieder Lockerungen im Kontaktverbot? Wann ist wieder Kita und Schule? Muss mein Betrieb Kurzarbeit anmelden? Verliere ich meinen Job? Oder: Wann können wir wieder unsere Lieben im Krankenhaus oder im Seniorenheim besuchen? Wann können nach den Beerdigungen im engsten Familienkreis wieder alle, die wollen, Abschied nehmen? Reichen in den nächsten Wochen die Bestände und Liefermöglichkeiten an Schutzausrüstung aus?
Auf die Palme oder unter Palmen?
Manchen fällt mittlerweile auch schon die "Decke auf den Kopf". Trotz den Möglichkeiten, raus zu gehen bei dem schönen Wetter. Je länger die Krise andauert, um so mehr Konflikt-Potential in den Familien. Die Atmosphäre zwischen den Menschen wird irgendwie insgesamt angespannter, meine ich. Geduld ist in diesen Tagen und Wochen gefragt, mit der Situation, mit anderen und mit mir selbst.Oder noch etwas, was einen auf die Palme bringen kann: Landauf landab fallen heute die Konfirmationen aus. Traurig für die Konfirmandinnen und Konfirmanden und deren Familien. Aber auch für alle, die von den Feierlichkeiten leben: Gastwirte, Partyservices, Blumenläden, Friseure. Und: Ostern fällt am nächsten Wochenende zwar nicht aus, wird aber komplett anders sein als gewohnt: Kein Gottesdienst, keine Osternacht, kein Osterfeuer, kein Familienbesuch, keine Ausflüge bei herrlichem Frühlingswetter und keine Treffen mit Freunden. Dafür vielleicht geöffnete Supermärkte und Drogerien an Karfreitag und Ostersonntag. Das gab´s noch nie!Wenn es in unseren Dörfern Palmen gäbe, wären die zur Zeit vermutlich komplett belegt. Jede und jeder hat momentan sicherlich etwas, was sie oder ihn sprichwörtlich auf die Palme bringt.
Wieso Palmsonntag?
Heute am Palmsonntag wäre allerdings auch eine gute Gelegenheit, mal wieder auf die Palme zu kommen. Zumindest gedanklich. Der Sonntag hat seinen Namen nämlich ursprünglich von einer Geschichte, an die wir uns heute erinnern: Bevor Jesus verhaftet, verurteilt, verspottet und gekreuzigt wurde, ist er erst einmal in die Stadt Jerusalem eingezogen. Auf einem Esel. Dem Mercedes des kleinen Mannes. Passend zu einem etwas anderen König. Als einen solchen und als den sehnlichst erwarteten Retter der Menschen und der Welt haben viele Menschen Jesus damals nämlich angesehen. Sie haben sich erinnert an das, was sie aus ihrer Bibel kannten: "Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel" (Sach 9,9). Und vor Freude haben sie Jesus zugejubelt und gerufen: "Gelobt sei der da kommt im Namen Gottes!" Sie haben Kleider vor ihm auf der staubigen Straße ausgebreitet. Und haben ihm mit Palmzweigen zugewedelt. Plastikfähnchen gab´s eben damals noch keine. Jesus kommt und die Dinge, die Menschen, die Welt verändern sich in Gottes Namen zum Guten. Wo er ist, ist Leben. Mitten in schwierigen und leidvollen Situationen. Davon waren die Menschen überzeugt, diese Hoffnung hatten sie.
(Wenn man "Palm" bei der Bildersuche eingibt, bekommt man als Resultat auch solche Bilder, da englisch Palm auch Handfläche bedeutet)
Weil Hoffnungsträger
Palmsonntag: Ein Tag der Hoffnung mitten in einer ungewissen und schwierigen Zeit. Jesus damals war auch in einer schwierigen Situation. Neben denen, die ihm zugejubelt haben, gab es genügend Leute, die ihn für einen gefährlichen Aufrührer oder Gotteslästerer gehalten haben. Jesus war klar, dass er leiden und sterben würde. Und doch hat er auch immer die Hoffnung in sich getragen, dass Schweres und Leidvolles nicht das letzte Wort haben werden bei Gott. Und so sollen auch wir heute besonders jetzt in der ungewissen und schwierigen Corona-Zeit nicht die Hoffnung verlieren, dass auch nach dieser Zeit wieder eine andere, eine bessere, eine gute Zeit kommen wird. Das braucht Geduld. Das wird auch nicht einfach werden. Aber um Gottes Willen wird es so sein.
Und für die Hoffnung, dass das Gute und das Leben dann doch immer wieder die Nase vorn haben werden, stehen heute die Palmzweige an Palmsonntag. Sie sind grün. Sie tragen die Hoffnungsfarbe des Frühlings und des Lebens. Und sie haben das Zeug dazu, uns wieder von der Palme runterzuholen.
Für alle, die beten wollen:
Du Gott, des Lebens,
Palmsonntag ist heute.
Wir danken dir das Grün des Frühlings.
Wir danken dir für alles Leben, das wir sehen und spüren.
Wir bitten dich in diesen vom Corona-Virus geprägten schwierigen und ungewissen Zeiten:
Hol uns mit deiner Hoffnung auf Leben runter von der Palme.
Schenke uns bei dir, dem König des Lebens, Geduld, Zuversicht und Halt.
Lenke unseren Blick auf alle, die in diesen Wochen für uns da sind.
Wir danken dir für sie.
Und wir bitten dich für alle, die gerade einen schweren Job machen,
für alle, die einsam und krank sind,
für alle, die einen lieben Menschen verloren haben,
für alle, die kranke und traurige Menschen pflegen und begleiten,
für alle, die Auseinandersetzungen in der Familie haben,
für alle, die um ihren Arbeitsplatz bangen müssen,
für alle, die Angst vor der Zukunft haben.
Sei bei ihnen,
gib ihnen Halt und Zuversicht.
Geh mit uns durch diese schwierige Zeit.
Behüte und bewahre uns.
Behüte und bewahre uns.
Amen.
Ich wünsche Euch und Ihnen allen einen guten und gesegneten Palmsonntag.
Euer und Ihr Pfarrer Norman Roth
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