Sonntagsgedanken 26. April 2020: Sei kein Frosch, sei ein Hirte!
Zur Zeit gibt es unter den Berufstätigen grob gesagt zwei große Gruppen: Die einen können oder dürfen nicht arbeiten. Die anderen arbeiten unter erschwerten Bedingungen oder weit mehr als sonst. Wir alle haben besonders in diesen Tagen und Wochen aber einen gemeinsamen Beruf: Hirtin oder Hirte.
Wie komme ich denn darauf? Hirtinnen und Hirten gibt es bei uns doch kaum noch.
Ab und zu sieht man sie irgendwo auf dem Land. Eine Hirtin oder ein Hirte hütet Tiere, vor allem Ziegen oder Schafe. Er oder sie kennen sich gut mit den Tieren aus. Sie haben ein Auge auf die Herde und jedes einzelne Mitglied. Sie kümmern sich um Futter, Wasser und sichere Weiden. Sie sorgen für die Tiere. Sie halten Gefahren von der Herde fern. Traditionell mit einem Stock oder mit Hilfe eines Hundes. Je weiter die Technik voranschreitet, umso weniger Hirtinnen und Hirten werden benötigt.
Aber jetzt in der Corona-Zeit sollen wir alle Hirtin und Hirte füreinander sein. Sonst funktioniert die Herde nicht. Und herdenimmun sind wir noch lange nicht. Also: Wir sollen ein Auge aufeinander haben, sollen uns im Blick behalten. Wir sollen füreinander da sein, füreinander sorgen. Rücksichtsvoll sein. Und sollen Gefahren möglichst voneinander abwenden. Seit mehreren Wochen heißt das konkret: Abstand halten, möglichst viel zu Hause bleiben, Kontakte reduzieren, Hände oft und gründlich waschen und desinfizieren, bargeldlos bezahlen, in die Armbeuge niesen. Und ab morgen heißt es zusätzlich verpflichtend für alle: Mundschutz auf! Um andere zu schützen. Besonders dort, wo der Abstand untereinander nicht eingehalten werden kann: Beim Einkaufen oder in Bus und Bahn. Und vermutlich bald auch beim Spielen der Schüler*innen auf dem Schulhof.
Lockerungen nach dem kompletten Lockdown sind allzu verlockend! Diskussionen über das rechte Maß sind in den letzten Tagen entbrannt. Möglichst schnell soll möglichst viel wieder normal laufen. Damit die Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht zu einschneidend und zu schmerzlich werden. Aber Vorsicht! Der sorgende Blick und das behütende Verantwortungsbewusstsein einer Hirtin oder eines Hirten ist jetzt besonders gefragt. Bei uns allen. Wir sollen bei aller schrittweisen Rückkehr zur Normalität geduldige und achtsame Hirtinnen und Hirten füreinander sein und bleiben. Damit wir uns bei allem verständlichen Öffnungs- und Tatendrang nicht immer mehr gegenseitig anstecken. Und die Menschen-Herde auseinanderfällt. Die Hüte-Hunde in Politik, Behörden und Polizei alleine können es nicht richten. Jede und jeder von uns ist gefragt. Also: Mantel an, Stab in die Hand, Mundschutz auf. Abstand zur Herde halten. Aber jede und jeden im Blick behalten. Das geht auch mit Mundschutz. Der lässt die Augen frei!
Heute am sogenannten „Sonntag des guten Hirten“
erinnern wir uns an unseren Oberhirten. Nein, nicht an irgendeine kirchliche
Leitungsperson. Sondern an Jesus. Der hat mal gesagt: „Ich bin der gute Hirte.
Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich
gebe ihnen das ewige Leben“ (Johannes 10,11+27f.). Gott hat ein Auge auf uns.
Er ist für uns da. Trotz oder mitten in allen Widrigkeiten und Schwierigkeiten
des Lebens. Und wir? Wir sind natürlich keine Schafe. Erst recht keine
schwarzen. Und genauso wenig doof wie sie. Wir sind auch nicht Jesus. Wir
können nicht alles. Und schon gar nicht alles verhindern. Wir können anders als
er niemandem ein - trotz allem Schwierigen - glückliches Leben geben hier und
in der Ewigkeit. Aber wir können ein Schaf sein, das auf ihn als guten Hirten
des Lebens vertraut. Auf ihn hört. Und sich von ihm die Kraft geben lässt, verantwortungsbewusst,
rücksichtsvoll und sorgend zu handeln. Und dabei zur guten Hirtin und zum guten
Hirten für andere wird. Erst recht in dieser Zeit.
Dazu Passendes aus der Bibel:
Ein vielen bekanntes, vertrautes und ans Herz gewachsenes Lied und Gebet, Psalm 23:
Wer beten möchte:
Gott,
du bist wie ein guter Hirte für uns. Du bist bei uns. Du behältst uns im Auge. Und passt auf uns auf. Du trägst uns, wenn wir verzagt und müde sind. Du rettest uns, wenn sich Abgründe vor uns auftun. Dafür danken wir dir.
Danke auch für alle, die in diesen Tagen wie ein guter Hirte für uns sind. Die für uns da sind. Danke für alle fürsorglichen Heldinnen und Helden des Alltags in dieser Zeit.
Wir bitten dich: Lass uns in den vielen Stimmen dieser Welt auf deine Stimme hören. Lass uns auf dich vertrauen. Zeig uns den Weg des Lebens und der Liebe.
Gib uns die Kraft, auch für andere eine gute Hirtin und ein guter Hirte zu sein.
Lass uns achtsam, rücksichtsvoll und hilfreich füreinander sein.
Gerade jetzt in dieser schwierigen Zeit.
Amen.
Ihr und Euer Pfarrer
Norman Roth
PS: Wie immer die Bitte: Teilt gerne diese Gedanken mit anderen. Vor allem auch mit denen, die nicht online sind. Vielen Dank.