Sonntagsgedanken 17. Mai 2020: Beten lohnt sich!
Wenn das Beten sich lohnen würde, was meinst du wohl, was ich dann beten würde.
Ohne Prioritäten, einfach so, wie es käme, finge ich an,
nicht bei Adam und nicht bei Unendlich, trotzdem: Jeder und jedes käme dran.
Für all das, wo der Wurm drin, für all das, was mich immer schon quält,
für all das, was sich wohl niemals ändert, klar, und auch für das, was mir gefällt.
Vom Choral für die Dom-Taube, die verkrüppelt in der Gosse verendet,
bis zu Psalmen für das Wetter und der Stunde mit dir, die zu kurz.
Ich würde beten, was das Zeug hält, ich würde beten auf Teufel komm raus.
Ich würde beten, wofür ich eben Lust hätte, doch nie, wenn jemand sagt: „Du musst!“
So haben die Kölsch-Rocker BAP 1982 zwar nicht gebetet, aber gesungen. Ich habe den Eindruck, dass für viele sich das Beten lohnt. Wie auch immer. Und das nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie vor acht Wochen. Auch vorher schon war ich immer wieder angenehm überrascht, wie unterschiedlich, aber doch wie häufig Menschen beten. Vielleicht anders als früher. Da haben Oma und Opa noch Luthers Morgen- und Abendsegen, das „Walte Gott“ oder den Rosenkranz gebetet. Als Kind hab ich mit meinen Eltern vor dem Einschlafen regelmäßig gebetet: „Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm“. Ob´s sich gelohnt hat, weiß ich nicht. Es gibt bestimmt frömmere Leute als mich. Und viele, die noch viel mehr beten als ich. Immerhin erinnere ich mich noch gut an eine meiner ersten Gebetslektionen. Mein Vater saß mit mir auf dem Sofa und hat mir das Vaterunser beigebracht. Und wenn wir auf dem Friedhof am Grab von Oma waren, wollte meine Mutter nach Pflanzen, Harken und Gießen immer noch genau dieses Vaterunser miteinander beten. Oder es gab bestimmte Tischgebete. Im Kindergottesdienst wurde auch viel gebetet. Als Kind habe ich verschiedene vorformulierte Gebete kennengelernt. Manche mochte ich, manche weniger. Aber in verschiedenen schweren Situationen hatten sie sich bewährt. Sie haben meiner Familie und mir eine Stimme vor Gott verliehen. Haben mir und uns aus dem Herzen gesprochen. Erst recht dann, wenn es schwer war, passende Worte selbst zu finden. Die Gebete haben Halt gegeben. Weil da jemand war, zu dem man irgendwie sprechen konnte. In der berechtigten Hoffnung, dass er einen gehört hat. In der Schule kam dann manch flehentliches Stoßgebet dazu. Und während des Studiums habe ich die freien Gebete in freikirchlichen Gemeinden kennengelernt. Ebenso manch bewundernswert fleißigen Beter. Oder Menschen, die mir einfach gesagt haben: „Ich bete für dich!“ Für mich hat es sich in meinem Leben schon oft gelohnt, zu beten.
Viele Menschen beten mehr und öfter als wir glauben. Beten ist eben etwas sehr Persönliches. Darüber spricht man nicht so gerne. Aber immer mal wieder erzählen mir Menschen davon wie sich das Beten für sie lohnt. Wie viel Kraft und Zuversicht sie daraus schöpfen. Und wie gut es ihnen tut. Wie es sie entlastet. Jetzt in der Corona-Zeit stellen viele in unseren Dörfern eine Kerze ins Fenster oder vors Haus. Und zünden sie jeden Abend um 19 Uhr zum Glockengeläut an. Sprechen ein leises oder lautes Gebet, alleine oder gemeinsam. Oft ein Vaterunser, das wohl bekannteste Gebet unter Christen. Damit ist nämlich alles gesagt. Und deshalb hat es uns Jesus selbst wärmstens empfohlen und ans Herz gelegt.
Nein, nicht nur Not lehrt beten. Die vielleicht besonders. Und deshalb wird jetzt in dieser Zeit auch extra viel gebetet. XXL, in unzähligen Varianten. Vom Stoßgebet bis hin zur Gebetskette. Egal ob in Form einer Klage, einer Bitte, eines Danks oder eines Lobs. Unser ganzes Leben lehrt uns beten. Da passieren nämlich immer Dinge, für die ich danken, oder Gott loben, ihn um etwas bitten oder ihm klagend in den Ohren liegen kann. Wenn ich bete, kreise ich gedanklich nicht nur um mich selbst. Ich merke, dass da ein noch viel Größerer über und bei mir ist. Einer der sagt: Ich bin da. Ich bin bei dir, wenn du dich über etwas Schönes freust. Aber auch, wenn du Schweres durchmachst. Dann erinnere ich mich dran, dass jemand da ist, bei dem ich mich ganz generell mal bedanken kann. Oder dem ich einfach mal mein Leid klagen, mein Herz ausschütten kann. Oder den ich um Hilfe bitten kann. Das geht zwar auch mit anderen Menschen. Aber Gott ist noch ein paar Nummern größer. Der hält unser Leben grundsätzlich in seiner guten Hand. Der kann auch dann noch etwas bewirken, wenn wir Menschen an Grenzen kommen mit unseren Möglichkeiten und Kräften.
Der ist auch dann noch ansprechbar, wenn alle anderen weghören, wegsehen oder weg sind. Und dem kann ich Dinge sagen, die ich sonst keiner Menschenseele anvertrauen würde. Das befreit, gibt Kraft und neuen Mut. Hilft, die Dinge zu sortieren und einzuordnen. Hilft, Ärger, Stress und Frust abzubauen. Hilft, zufrieden und dankbar zu sein.
Wenn wir beten, bleiben wir in Kontakt mit Gott. Wir gehen in uns, werden still, sprechen mit Gott und hören ihm zu, ja, lassen auch Raum für ihn. Und wir bleiben gedanklich und mit dem Herzen in Kontakt mit anderen. Indem wir für sie beten. Gemeinschaft, Verbundenheit auch auf Abstand. Zu wissen, dass andere für mich beten, hilft mir, auch belastende Zeiten durchzustehen. Wenn ich bete, bin ich mir sicher, dass ich nicht alleine bin. Andere sind da, Gott ist da. Wenn sich da mal das Beten nicht lohnt!
Dazu Passendes aus der Bibel am Sonntag „Rogate“ („Betet!“):
- Spruch für die Woche: Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet. (Psalm 66,20)
- Jesus sprach zu seinen Jüngern: Wer unter euch hat einen Freund und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote; denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann, und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, so viel er bedarf. Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. (Lukas 11,5-10)
Wer beten möchte:
Gott, unser Herz ist so voll. Vernunft und Sehnsucht streiten miteinander. Gib uns deinen Geist, der uns beten lehrt. Gib uns den Mut, uns dir anzuvertrauen in unserer Zerrissenheit, mit unserer Angst und unserer Hoffnung, mit unserer Schuld und unserer Freude.
Wir bitten dich für alle Männer und Frauen, die Entscheidungen treffen müssen, in Regierungen und Parlamenten. Lass sie gemeinsame Lösungen finden, die der Zukunft, der Gesundheit und der Gerechtigkeit dienen.
Wir bitten dich für alle, die in den Krankenhäusern und den Altenheimen für das Leben kämpfen, für alle, die sich einsetzen für die Risikogruppen dieser Pandemie, für alle, die Notleidende im Blick behalten. Gib ihnen und uns allen Mut und langen Atem.
Wir bitten dich für alle, die den Tod vor Augen haben: für die Kranken und Sterbenden, für die Lebensmüden und Verzweifelten, für alle von Hunger, Dürre und Krieg Geplagten. Hilf allen Menschen in ihrer Not.
Wir bitten dich für uns alle, dass wir dir vertrauen. In aller Not lass uns um deine Hilfe rufen, in allem Glück für deinen Segen danken. Du hörst uns. Wir danken dir und loben dich. Amen.
- Man kann auch das Vaterunser oder mit Worten aus Psalm 95 (EG 752) beten.
- Wer möchte, kann auch alleine oder gemeinsam ein freies Gebet sprechen mit allem, was einem gerade durch Kopf und Herz geht: Gott ich danke dir für/dass…; Gott, ich bitte dich um/dass…; Gott, ich kann dir heute nur klagen…; Gott, ich will dich loben für/dass…
- In Familien mit Kindern bietet sich auch an, dass jede und jeder etwas aufschreibt oder aufmalt, wofür er oder sie Gott danken oder ihn bitten möchte. Jede und jeder kann dann entweder selbst das Notierte/Gemalte vortragen und zeigen. Oder alle Zettel werden in einer kleinen Box gesammelt, und anschließend zieht jede und jeder einen Zettel und betet das, was zu lesen oder zu sehen ist. Ein vertrautes Gebet wie z. B. das Vaterunser kann sich anschließen. Zum Gebet kann man auch eine Kerze anzünden. Als Zeichen, dass Gott bei uns ist und uns hört.
Bleibt weiter behütet und gesund!
Euer und Ihr Pfarrer Norman Roth
PS: Wie immer die Bitte, diese Gedanken auch an diejenigen weiterzugeben, die nicht online sind. Vielen Dank.