Seelenfutter Jahreswechsel 2020/2021
Hinter uns liegt ein besonderes Jahr: 2020. Ich denke, wir werden es so schnell nicht vergessen. Nach all den recht sicheren und komfortablen letzten Jahrzehnten hatten wir plötzlich mit etwas zu tun, was wir nicht kannten: eine Pandemie. Ein winzig kleines Virus hat alles durcheinandergewirbelt: unseren Lebens-Alltag, unsere Kontakte, unsere Sicherheiten, unsere Planungen, unsere Stimmung, unsere … Vieles, was wir gewöhnt sind, war plötzlich ganz anders. Vieles war keine Routine mehr. Vieles war schwierig, vorauszusehen.
Am Ende dieses Jahres ziehen wir genauso Bilanz wie am Ende aller anderen Jahre. Wie war es? Was bleibt hängen? War es unterm Strich eher ein gutes oder eher ein schlechtes Jahr?
In diesen Tagen erlebe, lese und höre ich wie
viele von uns schnellstmöglich ein Häkchen hinter dieses Jahr machen möchten.
Sie wollen es abhaken. Und sagen: „Es war ein sch… Jahr, ein vermaledeites
Jahr“. Wie schätzt Ihr, wie schätzen Sie die zurückliegenden zwölf Monate ein?
Für sich selbst, für unsere Familie, für unsere berufliche Tätigkeit, für
unsere Gesellschaft?
Natürlich kann man schnell sagen: Es war ein doofes Jahr. Erinnerung löschen im Kopf! Auch ich selbst ertappe mich dabei, eher genervt zurückzublicken. Doch dann halte ich inne und denke: Moment mal! Klar, Corona war TOP 1 in diesem Jahr. Corona hat alles bestimmt, unser Leben, unser Denken, unser Tun. Ja, Corona hat uns auf die Stimmung gedrückt, hat uns gereizt und gestresst. Wir waren angespannt, weil vieles ungewiss war. Wir waren sorgenvoll, manchmal unsicher, vielleicht ab und zu ängstlich. Aber war deshalb gleich das ganze Jahr 2020 Mist, Müll, Sch…? Diejenigen unter uns, die vielleicht durch Corona einen geliebten Menschen oder ihre Existenzgrundlage verloren haben, die selbst erkrankt und noch bis heute mit gesundheitlichen und beruflichen Folgen zu kämpfen haben, die Schweres und Belastendes auszuhalten hatten und haben, die mögen das verständlicherweise so oder ähnlich empfinden. Aber war wirklich alles schlecht und schrecklich?
Als
Pfarrer mag man mir Berufs-Optimismus unterstellen. Aber ich möchte wenigstens
eine Lanze für einen genaueren Blick auf 2020 brechen. Und zwar unter dem
Vorzeichen des Spruches aus der Bibel: Meine Zeit steht in deinen Händen
(Psalm 31,16a). Die Zeit, die wir erleben und verbringen, ist nie immer nur
Müll und zum Wegwerfen. Weil die Zeit uns grundsätzlich von Gott geschenkt ist.
Er hält alle Zeiten in seiner Hand. Und ich gehe davon aus, dass er sie in
grundsätzlich guten Händen hält. Natürlich kann man jetzt einwenden: Ja, aber,
warum gibt es dann so viel Schreckliches, warum leiden Menschen, warum gibt es
Corona? Das weiß ich nicht. Wir sind schwierigen, schweren, belastenden Dingen
ausgesetzt, das stimmt. Und das wird auch immer so sein. Aber bei alledem
möchte ich darauf vertrauen, dass Gott uns zu allen Zeiten in seiner Hand hält,
dass er da ist und uns begleitet. Das lässt mich durchhalten. Das gibt mir
Kraft zum Weitermachen. Das gibt mir Zuversicht, auch wenn es mal nicht gut
läuft und schlecht aussieht. Und: Es weitet meinen Blick. Ich gehe davon aus,
dass nicht nur alles schlecht ist. Ich versuche, auch gute und schöne Dinge zu
sehen, sie wahrzunehmen, sie zu erleben. Und mich an sie bewusst zu erinnern.
Weil ich fest davon überzeugt bin, dass Gott immer auch Gutes wirkt. Vielleicht
ist das manchmal mehr als zu anderen Zeiten verborgen und überlagert.
Also: Was hindert uns daran, auch Gutes und Schönes in 2020 zu sehen? Und uns im Rückblick dran zu erinnern? Auch kleine, unscheinbare Dinge. Ich bin mir sicher, dass jede und jeder von uns auch Gutes und Schönes im zurückliegenden Jahr finden kann. Vielleicht hat Corona auch Gutes bei uns bewirkt? Vielleicht haben wir Neues entdeckt? Wir mussten schnell viel dazulernen und etwas anders machen. Wir haben vieles in kurzer Zeit geschafft, und wissen manchmal vielleicht gar nicht wie. Eine tolle Leistung! Wir sind – hoffentlich - gesund geblieben. Wir haben unsere Familie und unseren Alltag zwischen Kindern und Homeoffice gemanagt. Vielleicht haben sich Kontakte auf andere Weise intensiviert. Vielleicht haben sich auch neue ergeben trotz räumlichem Abstand. Vielleicht konnte ich Dinge zu Hause erledigen, die lange liegengeblieben waren. Vielleicht habe ich manche Zeiten ohne den üblichen Termindruck und Trubel mal ganz anders und intensiver erlebt. Vielleicht hatte ich die Gelegenheit, Dinge mal anders zu sehen und zu machen. Möchte ich davon auch etwas mit ins nächste Jahr und in die Zeit nach Corona nehmen? Oder schätze ich nach der Pandemie vielleicht manche Dinge wieder mehr, die bisher eher selbstverständlich waren? Ich merke im Rückblick, dass ich z. B. in den letzten Monaten viel mehr in der Natur unterwegs gewesen bin als sonst. Und habe herrliche Impressionen übers Jahr eingefangen. Schnappschüsse mit dem Handy, die mir gut getan, die mir Mut und Hoffnung gegeben haben. Ein paar davon sind hier zu sehen.
Ja, ich gebe zu, es war ein schwieriges Jahr. Es war ein Krisen-Jahr. Aber es war nicht nur ein schlechtes Jahr. Ich möchte es nicht wegwerfen. Ich möchte es bewusst in Erinnerung behalten als ein Jahr, das uns ordentlich durchgerüttelt hat, Dinge auf den Kopf gestellt, aber auch neu sortiert hat. Ein Jahr, das die Chance geboten hat, Dinge nochmal anders zu sehen und zu machen. Und ein Jahr, das mit der Aussicht auf einen Lichtschein am Ende des Tunnels endet. Wir dürfen die berechtigte Hoffnung haben, dass durch die Impfungen in den nächsten Monaten vieles wieder einfacher wird. Bis dorthin brauchen wir noch Geduld und Rücksicht. Bis dorthin müssen wir noch nach besten Kräften auf Abstand durchhalten. Im Vertrauen darauf, dass Gott unsere Zeit in seinen guten Händen hält. Oder wie es auch in der Bibel heißt: Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn; er wird´s wohlmachen (Psalm 37,5).
Wer beten möchte:
Gott, ein schwieriges Jahr liegt hinter uns. Lass uns aber auch nicht vergessen, was es Gutes, Gelungenes und Schönes darin gab. Wenn ich an 2020 zurückdenke, dann danke ich dir für … Dann beklage ich mich über … Und dann bitte ich dich um und für … Schenke uns Kraft, Geduld und Zuversicht für die ungewisse Zeit, die kommt. Behüte uns mit deinem guten Segen. Amen.
Wer singen möchte: Meine Zeit steht in deinen Händen (EG 644; s. auch: https://www.youtube.com/watch?v=u5cWGXLpQ4M), Von guten Mächten wunderbar geborgen (EG 65; s. zur modernen Version auch: https://www.youtube.com/watch?v=aN7dGz6NH5M)
Kommt/Kommen Sie gut, möglichst gesund und vor allem behütet ins nächste Jahr!
Ihr und Euer Pfarrer Norman Roth
Was ich noch zu sagen hätte... : Ganz herzlichen Dank allen, die unsere Kirchengemeinde in irgendeiner Weise im vergangenen schwierigen Jahr unterstützt haben. Mit praktischem Anpacken oder auch mit einer Ermutigung oder einem Gebet. Ein besonderer Dank gilt hier den Ortsgemeinden Jettenbach, Bosenbach, Kollweiler und Niederstaufenbach für die unkomplizierte Hilfe! Wir haben versucht, das Beste aus der Situation zu machen und Gottes gute Hoffnungs-Botschaft auf verschiedenen Kanälen zukommen zu lassen. Teilt bitte gerne auch mein Seelenfutter mit denen, die nicht online sind. Vielen Dank.