Seelenfutter 28. Februar 2021: Hoffnung bedenken trägt
Ein Bild fast nur mit Braun- und Grautönen. Selbst das Kreuz aus beigefarbenem Holz. Die Hauptstimmung in der Natur jetzt Ende Februar. Und doch: Die Sonne scheint und wirft erste Schatten. Moos und Gras schimmern leicht grün. Und dann der Hingucker hinterm und unterm Kreuz: zart aufblühende Frühlingsblumen. In Gelb, der Farbe des Lichts.
Ein Bild, passend zum zweiten Wochenende in der Passions- und Fastenzeit. Braun und grau die Stimmung. Da ist einer, der hat sein Kreuz getragen. Und davor noch so einiges mitgemacht. Hat unter Verrat, Verleugnung, Verlassenheit und Hass gelitten. Jesus Christus, der Kreuzträger. Aber neues Leben zeichnet sich vorsichtig an, wie zartgrünes Gras und vorsichtig aufblühende Frühlingsblumen. Nicht nur „hinterm Horizont geht´s weiter“. Auch hinterm Kreuz geht´s weiter, nämlich lebendig. In den ernsten und bedächtigen Wochen vor Ostern bleibt uns die Hoffnung auf freudvolle (Feier-)Tage an und nach dem Fest.
Ein Bild, passend aber auch zu unserer Stimmung im immer noch anhaltenden Corona-Lockdown. Braun und grau ist da bei vielen mittlerweile die Stimmung. Kräfte, Geduld und Nerven kommen an ihr Ende. Viele erzählen mir von einer gereizten und aggressiven Stimmung unter den Menschen im Alltag, im Beruf, in der Familie. Viele tragen nicht nur ihr Päckchen. Sie tragen auch ihr Kreuz. Mit der Situation, mit Belastungen, mit Verlusten, mit fehlenden Kontakten und schmerzlich vermisster Nähe. Zu den Kreuzträgern gesellen sich häufig auch noch die Bedenkenträger. Manche auch in ein und derselben Person. Manchmal denke ich, wir Deutschen sind eine Ansammlung von besonders zahlreichen Bedenkenträgern. Zumindest mehr als anderswo. Wir wollen alles haarklein und genau regeln, damit kein Missbrauch stattfinden kann. Dass niemand vor einer scheinbar unlösbaren Frage und Aufgabe steht, weil es dazu gerade kein Gesetz, keine Verordnung oder zumindest eine offizielle amtliche Aussage gibt. Damit niemand bevorteilt und niemand benachteiligt wird. Manche Bedenkenträger scheuen auch das Neue, das Unbekannte. So wie es immer war, soll es am liebsten bleiben. Das gibt ja auch das Gefühl von Sicherheit. Ich kann die Dinge abschätzen und handhaben. Ich weiß, was passiert. Mir gerät nichts außer Kontrolle. Die Wahrscheinlichkeit, dass etwas Unerwartetes geschieht, wird wesentlich geringer. Bedenkenträger gibt es jetzt in der Corona-Pandemie zu Hauf. Und stehen sich und anderen damit im Weg. Aus Datenschutz-Bedenken verzichtet man auf die Nutzung von bewährten Videokonferenz-Systemen. Und verzichtet lieber auf einen gut funktionierenden Fern-Unterricht. Aus Bedenken an der Wirksamkeit von Impfstoffen lässt man sich lieber gar nicht impfen. Und verzichtet auf die Möglichkeit, sich selbst und andere vor einer schweren Covid-Erkrankung zu schützen. Und so bleiben viele Bedenkenträger auch Kreuzträger. Bleiben im Braun und Grau allein. Dabei gibt es doch Entwicklungen in der Corona-Pandemie, die Anlass zur Hoffnung geben: Die Infektionszahlen sinken, die Impfstoffe scheinen weniger ansteckend zu machen und gegen die gefürchteten Virus-Varianten zu helfen, Lockerungen scheinen in absehbarer Zeit Schritt für Schritt möglich.
Natürlich muss man kritisch bleiben und Dinge hinterfragen. Auch und gerade in dieser schwierigen Zeit. Da muss man ständig Risiken und Chancen gegenüberstellen und eine verantwortungsvolle Entscheidung treffen. Eine Regierung. Aber auch jede und jeder von uns selbst. Für sich und für andere. Man muss die Dinge gut abwägen und bedenken, bevor man handelt. Absolut! Aber wer weiß schon immer, was richtig und was falsch ist?! Um der Sache willen muss man dann eben auch mal ein Risiko eingehen. Mit der Möglichkeit, dass es sich hinterher vielleicht als ungünstig oder sogar als falsch herausstellt.
Reine oder ewige Bedenkenträger bleiben in ihren Bedenken stecken. Blockieren sich und andere. Verhindern, dass etwas vorangeht, etwas anders oder vielleicht auch besser wird. Und bleiben Kreuzträger.
Gute Bedenkenträger sind diejenigen, finde ich, die die Hoffnung mitbedenken. Die darauf vertrauen, dass Dinge sich auch gut entwickeln können. Dass Neues und Unbekanntes nicht gleich unkalkulierbar, schwierig und schlecht ist. Ein Sprichwort sagt: „Wer nichts wagt, der nichts gewinnt.“ Wer nichts wagt, wer kein Risiko eingeht, der verpasst möglicherweise eine Veränderung und Entwicklung zum Guten hin. Der Kreuzträger Jesus war zwar auch mal frustriert und ängstlich. Aber er hat immer darauf vertraut, dass Gott die Dinge letztlich zum Guten wenden wird. Und selbst als er am Tiefpunkt angekommen war, sagte er vertrauensvoll zu Gott: „Dein Wille geschehe“. Das kann nur einer sagen, der nicht nur sein Kreuz hinter sich und Bedenken vor sich herträgt, sondern der auch eine vertrauensvolle Hoffnung in sich trägt. Einer, der neues Leben hinter dem Kreuz sieht.
Gerade in diesen Tagen und Wochen wünsche ich uns die Kraft, darauf vertrauen zu können, dass sich Dinge auch gut entwickeln können. Die Kraft, sich auch auf Unbekanntes einzulassen, neue Wege zu gehen. Vielleicht auch trotz mancher Bedenken und Zweifel, die bleiben. Und damit hinter dem Kreuz neuem Leben eine Chance zu geben. Und zartem Grün sowie lichtvollem Gelb im Braun und Grau. Gott gebe uns die Kraft, die Hoffnung, die uns auch durch Ungewisses, Unsicheres und Schweres trägt, zu bedenken. Gott gebe uns die Kraft, vom belasteten und frustrierten Kreuzträger über einen guten und konstruktiven Bedenkenträger zu einem mutig und verantwortungsvoll anpackenden Hoffnungsträger zu werden. Weil das Frühlings- und Corona-Leben nicht nur braun und grau ist. Sondern schon neues Leben zart schimmert und aufblüht hinter dem Kreuz.
Wer dazu in der Bibel nachschlagen möchte:
Jesus in Gethsemane: Matthäus 26,36-46
Wer beten möchte:
Alles, was ich dir hier und jetzt sagen möchte, vertraue ich dir an … Gott, bei dir ist alles gut aufgehoben. Danke. Amen.
Bleibt behütet und gesund!
Herzliche Grüße Euer und Ihr Pfarrer Norman Roth
PS: Und wie immer die Bitte diese Gedanken auch mit denen zu teilen, die nicht online sind. Danke.